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Dame Rebecca West "Die Rückkehr"

Veröffentlicht am 19.10.2020

DAME REBECCA WEST
* 21. Dezember 1892 in London als Cicily Isabel Fairfield; † 15. März 1983 London

Britische Schriftstellerin und Journalistin, machte eine Ausbildung zur Schauspielerin, was vermutlich den Namenswechsel erklärt. Rebecca West ist eine Figur aus einem Schauspiel aus Henrik Ibsen. („Rosmersholm“)

Sie war eine radikale Journalistin, arbeitete ab 1911 u.a. für The Freewoman und die Daily News. Kurzzeitig schloss sie sich der Suffragettenbewegung an.

1946 wurde sie vom Daily Telegraph als Berichterstatterin zu den Nürnberger Prozessen geschickt. 1972 wurde sie in die American Academy of Arts and Letters gewählt. 1959 wurde West als Dame Commander of the Order of the British Empire (DBE) geadelt.

Aus der Beziehung zu H.G. Wells hat sie einen Sohn.

 

Die Rückkehr (The Return of the Soldier) ist der erste Roman von Rebecca West, veröffentlicht 1918; dtv München 2016

Die Handlung spielt sich ausschließlich auf einem Landgut im Süden Londons ab, während des Ersten Weltkriegs, 1916.

Chris Baldry ist an der Front in Frankreich; seine Frau, Kitty, und seine Cousine, Jenny, verwalten das Gut und harren der Briefe, die da offenbar regelmäßig kommen. Rosamunde Pilcher lässt grüßen.

Zu Beginn des Romans haben die beiden Damen seit 14 Tagen keine Nachricht mehr von ihm erhalten, was Kitty nicht besonders beunruhigt – schließlich ist Krieg, schließlich ist er an der Front. Ganz normal.

Die Normalität jedoch wird brutal gestört von einer Frau, von einer Dame ist hier keinesfalls zu sprechen. Mrs. William Grey lässt sich melden. Nicht gut gekleidet, ein unmöglicher Hut, abgearbeitet, eine Frau mittleren Alters, ganz gewiss nicht aus der upper class.

Zögernd wird sie empfangen. Zögernd gibt diese ihr Wissen preis. Von Hauptmann Baldry empfing sie ein Telegramm, mit der dringenden Bitte, sich um ihn, den im Hospital schwerverletzt Liegenden, zu kümmern.

Kitty kann das nicht glauben, hält sie für eine Betrügerin, denn sie, die Ehefrau, hatte vom Kriegsministerium keine Mitteilung erhalten.

Was also war passiert?

Margaret Grey spricht von einem Granatenschock, der einen Gedächtnisverlust ausgelöst hatte. 15 Jahre Ehe - weg.
Übrig blieb die Erinnerung an eine erste heftige Liebe, an Margaret und die Annahme, erst 20 Jahre alt zu sein.
Kitty und Jenny bekommen diese Tatsache schließlich bestätigt und veranlassen die Rückkehr von Chris.
Er trifft ein, erkennt Kitty nicht, lediglich Jenny, seine Cousine, mit der er aufgewachsen ist.
„Ich bin deine Ehefrau,“ Es lag eine schwache, klagende Wut in den Worten. (Kitty)

Die Hoffnung auf Spontanheilung erfüllt sich nicht, und wir, als Lesende, sehen nun die drei Frauen als Protagonistinnen, die ihn umschwirren, wie Motten das Licht. Denn ohne Margaret geht es nicht; er braucht sie, die er auch sofort erkennt – denn ‚alte Liebe rostet nicht‘.

Aus der Perspektive von Jenny wird der Roman erzählt

Kitty baut einen Eispanzer um sich herum, verletzt Margaret, verständlich, weil sie eifersüchtig ist, verletzt Jenny, weil sie auch hier spürt, dass da eine langjährige Bindung, gar Liebe im Spiel ist. Sie selber lebt im Kokon.

Jenny ist die Handelnde. Sie sorgt dafür, dass Margaret ins Haus kommen kann, abgeholt wird, lernt deren guten und zarten Eigenschaften kennen; sieht, dass Chris unter ihrem Einfluss zur Ruhe kommt.
„Ich fahre jetzt los, um Margaret abzuholen“, sagte Jenny „Kommen Sie jetzt gleich mit, Sie werden ihm guttun!“

Margaret, nicht gerade glücklich verheiratet – lange hatte sie auf Chris gewartet – lebt auf, lebt ihre Zärtlichkeit aus, ganz feinfühlig, ganz behutsam, bewacht seinen Schlaf, sieht ihm nur zu, weiß, dass sie keinen Anspruch an ihn haben wird. Sie verharrt im Augenblick.
„Jetzt, da er schlief und sein Gesicht nicht von Gedanken verdunkelt war.... Und sie {Margaret} ... saß neben ihm und betrachtete ihn einfach nur. Es bedeutet, dass die Frau die Seele des Mannes in ihre Seele aufgenommen hat und die in Liebe und Frieden wärmt, damit sein Körper sich eine Weile still ausruhen kann.“

Die Ärzte kommen und gehen, machen Hypnose. Erfolglos. Chris ist irgendwie glücklich, Kitty verbittert.

Ein letzter Anlauf beginnt

Ein Arzt, der es ganz anders machen will. Nur was der Mensch vergessen will, kann er auch vergessen.

Eigentlich ist auch er bereits gescheitert; doch dann sieht Margaret im Zimmer von Jenny das Bild des toten Kindes von Kitty und Chris, bis dato von allen Beteiligten totgeschwiegen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auch sie, Margaret hat ein vergleichbares Schicksal: ihr Sohn starb im Alter von fünf Jahren.
Sie und Chris haben eine gemeinsame Verkettung, eine mehr. Vielleicht kann die Konfrontation mit einem aufbewahrten Spielzeug eine Schocktherapie bewirken – und so die Blockade des Gedächtnisverlustes aufheben.

Jenny und Margaret steigern sich in einem bewegenden Gespräch in die Möglichkeit des Auslassens dieses Versuchs. Schließlich ist er auf seine Art glücklich, lebt im Garten, freut sich seines Lebens, der Liebe zu Margaret.
Doch was, wenn er altert? Wird er dann als Dorftrottel angesehen werden, als jemand, der nur noch Mitleid erregt, nicht mehr ernst genommen wird?
Was wird aus Kitty?
Was aus Margaret, was aus ihm, kehrt das Gedächtnis zurück?
Die Antworten scheinen klar, und die beiden Frauen sind für einen Moment entschlossen, die Augen zu verschließen.

Doch der Moment kippt: die Wahrheit muss die Wahrheit bleiben. Sie geben dem Arzt einen Pullover und einen kleinen Plüschhund.

Das Ende

„Er geht nicht locker schlendernd wie ein Jüngling, so wie er es an diesem Nachmittag getan hatte, sondern mit dem festen Schritt des Soldaten.“
Und der Krieg hat ihn wieder.

 

© Text Ariane Niehoff-Hack, Frauen in der Einen Welt

"Die Rückkehr" ("The Return of the Soldier"), veröffentlicht 1918; dtv München 2016

Foto von wikipedia: Portrait of West by Madame Yevonde

 

 

 
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